Der digitale Overload
Vor lauter Tools kein Land (mehr) in Sicht!
Veröffentlicht am 04.10.2022
Heutzutage kommt keiner darum herum, sich zu fragen, inwieweit das eigene Unternehmen im Zuge der Digitalisierung mithalten kann. Manche nutzen bereits die Veränderungen der letzten Jahre als Chance und haben den Großteil ihrer Arbeitsprozesse bereits digitalisiert, während andere dem Ganzen noch kritisch gegenüberstehen. Und eine gewisse Skepsis ist gesund, denn neben der vielen Vorteile, die die Digitalisierung mit sich bringt, verbirgt sich unter anderem die Gefahr der digitalen Reizüberflutung, auch digitaler Overload genannt. Was das genau ist, von welchen Faktoren das Eintreten solch eines Overloads abhängt und wie wir ihm vorbeugen können, thematisieren wir in diesem Artikel.
Digitaler Overload – was bedeutet das?
Digitale Tools erscheinen wie ein Segen für alle, die einen Bürojob haben. Sie machen es uns in Zeiten von Homeoffice, flexiblen Arbeitszeiten & Co. möglich, gemeinsam als Team erfolgreich an einem Projekt zu arbeiten, auch wenn nicht alle Teammitglieder zur selben Zeit am selben Ort sind.
Doch wir sind nicht nur während der Arbeit digital vernetzt, sondern nutzen auch in unserem Privatleben ständig digitale Anwendungen. Irgendwann können wir diese Reize nicht mehr verarbeiten und es kommt zu fatalen Konsequenzen: dem digitalen Overload. Der stetige Blick auf helle Screens sorgt dafür, dass unser Gehirn immer wachsam ist. Das ist nicht nur ungesund für die Augen: diese stetige Wachsamkeit kann auch Ursache für Schlafstörungen und Probleme beim Einschlafen sein. Aber auch die Konzentration leidet, denn das Gehirn bekommt keine Pausen mehr.
Wenn wir allein bei der klassischen Bürotätigkeit die Arbeit am PC betrachten, kann der sogenannte „Triple Overload“ schnell auftreten. Dieser besteht aus folgenden drei Überreizungen:
- Eine immense Datenflut: Pro Tag verbringen wir rund 2,5 Stunden unserer Arbeitszeit damit, Informationen zu finden. Wenn wir durch die immense Menge an verfügbaren Daten nicht direkt finden, was wir suchen, kann das schnell zu Überforderung und Ermüdung führen.
- Zu viele Kommunikationswege: Die eigentliche Arbeit kann schnell durch den Aufwand der Kommunikation in den Hintergrund treten. Wenn ein Unternehmen zu viele Kommunikationstools nutzt, beschäftigen sich die MitarbeiterInnen lange mit der Frage, auf welchem Weg sie welche Nachricht überbringen sollen und wo sie jetzt welche Nachricht und damit Informationen und/oder Dokumente finden können.
- Unterbrechungen und Multitasking: Das ständige erreichbar-Sein führt dazu, dass die eingehenden Nachrichten von der eigentlichen Arbeit ablenken. Dazu kommt, dass manche Nachrichten eine neue Aufgabe beinhalten, wodurch viele Menschen dazu neigen, mehrere Tätigkeiten zur gleichen Zeit auszuführen, um allen eintreffenden Aufgaben gerecht zu werden. Das Multitasking sorgt für eine kognitive Überlastung und führt zur Erschöpfung, was wiederum die Ursache für Fehler sein kann.
Im Großen und Ganzen sorgt ein digitaler Overload dafür, dass eine Priorisierung der Aufgaben nicht mehr möglich ist und das durchaus auch unbewusste Multitasking führt zu mehr Fehlern.
Wie vermeiden wir einen digitalen Overload?
Um einen digitalen Overload zu vermeiden, sollten Sie zuerst alle Aufgaben übersichtlich und am besten nach Priorität ordnen. Dabei helfen Ihnen Projektmanagement Tools wie Trello. Hier können Sie einzelne Aufgaben mit Deadlines versehen und Checklisten erstellen, sodass Sie und auch Ihre TeamkollegInnen den Überblick darüber behalten, was zu tun ist.
Statusmeldungen wie beispielsweise „Beschäftigt“ oder „Außer Haus“ sind Bestandteil der meisten digitalen Kommunikations-Tools. Mit dieser Einstellung werden Ihre KollegInnen darüber informiert, ob Sie gerade ansprechbar sind oder nicht. Das vermeidet eine Unterbrechung der aktuellen Arbeit durch einen Anruf, der auch auf später warten kann. Einfach den Status auf „Beschäftigt“ setzen und schon können Sie in Ruhe an Ihrer aktuellen Aufgabe arbeiten.
Manchmal ist es auch besser, die andere Person direkt anzurufen, anstatt länger darüber nachzudenken, wie die Nachricht am besten formuliert wird und zur finalen Klärung anschließend noch mehrere Nachrichten hin und her zu schreiben. Selbstverständlich nur, wenn beide gerade erreichbar sind und nicht in ihrer Fokuszeit gestört werden.
Hier nochmal unsere allgemeinen Tipps zur Prävention eines digitalen Overloads zusammengefasst:
- Priorisierung aller Aufgaben
- Status setzen, um fokussiert arbeiten zu können
- Passendes Kommunikationsmedium auswählen
- Fokuszeiten festlegen und respektieren (sowohl bei anderen als auch bei sich selbst)
Die Methoden von Start-ups und klassischen Unternehmen
Überspitzt formuliert: Flache Hierarchien, Freiraum für Kreativität, Tischkicker, maximal digitales Arbeiten & Co. – dafür stehen Start-ups. Dem gegenüber stehen Unternehmen, deren Strukturen noch eher klassisch sind: es gibt klare Hierarchien und Aufgabenbereiche und die Digitalisierung der Arbeit ist eher schwerfällig. Diese beiden Unternehmensformen unterscheiden sich in ihrer Mentalität und Arbeitsweise sehr, weshalb sie auch verschiedene Vorgehensweisen bei der Bewältigung eines digitalen Overloads haben.
Start-ups gelten als flexibel, technisch fortgeschritten und werden häufig als modern wahrgenommen. Ihr Vorteil: sie setzen meist von Beginn an auf die Digitalisierung und starten direkt mit digitalen Lösungen in ihr Unternehmertum. Das bedeutet, sie müssen ihre Strukturen nicht erst an die neue Arbeitswelt anpassen, sondern gestalten sie vielmehr aktiv mit, denn häufig bringen Mitarbeitende in Start-ups auch viel Wissen rund um die Digitalisierung mit. Doch auch wenn die Digitalisierung für Start-ups als das Normalste der Welt scheint, lauert genau hier die Gefahr: die Mitarbeitenden werden dazu verleitet, immer wieder neue digitale Tools auszuprobieren und in ihre Arbeit einzugliedern, weil sie diese scheinbar leichter machen. Das Ergebnis: die Masse an Tools führt zu einem digitalen Overload. Und gegen die Flut, die sich dadurch ergibt, kämpfen sie mit verschiedenen Methoden und den passenden Apps zum fokussierten Arbeiten an. Hier gibt es beispielsweise die Pomodoro-Technik, bei der Timer auf 50 Minuten gesetzt wird und in dieser Zeit wird dann fokussiert gearbeitet. Im Anschluss gibt es 10 Minuten Pause. Beim Eindämmen einer exzessiven Handynutzung unterstützen Funktionen zur Einschränkung der Bildschirmzeit, die es in einigen Betriebssystemen bereits gibt, sowie Apps wie Forest, die mit ihrem Gamification-Ansatz die handyfreie Zeit belohnen. Digital versierte Menschen bekämpfen den digitalen Overload also mit digitalen Tools – klingt im ersten Moment komisch, kann aber eine gute Lösung sein.
Klassische Unternehmen haben im Gegensatz zu Start-ups traditionellere Strukturen, sind deutlich behäbiger bezüglich Änderungen und haben ihre Arbeitsprozesse noch nicht oder nur zum Teil schon digitalisiert. Da sie ihre über die Jahre gewachsenen Strukturen erst an die digitalen Möglichkeiten anpassen müssen, ist es für sie deutlich aufwändiger, die Arbeit komplett zu digitalisieren, als für noch kleinere, junge Unternehmen. Der Vorteil, den sie dadurch haben: durch die stückweise Umstellung und dem manchmal noch kritischen Blick auf die Digitalisierung werden digitale Tools nicht ohne ein konkretes Ziel und die Prüfung auf Effizienz eingesetzt. Dementsprechend werden nicht „einfach so“ ständig neue Tools eingeführt, was die Mitarbeitenden grundlegend gut vor einem digitalen Overload schützt.
Die Kombination aus den Vorteilen beider Methoden ist die Lösung
Die Arbeitsweise eines Start-ups wie es im Buche steht ist immer mehr etablierten Unternehmen ein Vorbild, denn diese versuchen häufig, den Start-up-Charakter in ihrer täglichen Arbeit zu etablieren. Start-ups stehen schließlich für Zukunft! Viele sehen sie als innovativer und besser an als Traditionsunternehmen.
Doch das ist so pauschal nicht richtig! Die für alle Menschen perfekte Unternehmensform gibt es einfach nicht. Jedes Unternehmen ist individuell und hat unterschiedliche Anforderungen und Bedürfnisse abhängig von ihren Mitarbeitenden, den Produkten bzw. Dienstleistungen und dem Markt, in dem sie sich bewegen. Natürlich ist die Form des Start-ups innovativ und bekannt für selbstständiges, flexibles Arbeiten. Das macht ein Unternehmen attraktiv für jüngere Mitarbeitende, bringt aber auch die Gefahr des digitalen Overloads durch die intensive Nutzung digitaler Tools mit sich.
Auch die Stabilität und Tradition klassischer Unternehmen hat ihre Vorteile. Auch wenn sie in Sachen Digitalisierung der Arbeit nicht ganz so agil handeln (können), hat die überlegte Einführung der digitalen Tools den entscheidenden Vorteil, dass der digitale Overload nicht so schnell eintritt, gleichzeitig das überlegte „mit der Zeit gehen“ eben doch passiert und so dementsprechende Arbeitserleichterungen erreicht werden.
Also nutzen Sie doch die Vorteile beider Herangehensweisen, indem Sie eine Hybridform bilden. Beispielsweise können Sie in Ihrem Unternehmen mithilfe von digitalen Tools das schnellere und bessere ortsunabhängige kollaborative Arbeiten ermöglichen. Das erfordert klare Strukturen, was sich gut mit traditionellen Prozessen und Strukturen vereinen lässt! Denken Sie mal darüber nach.
Fazit
Egal ob geschäftlich oder privat, wir erleben sie tagein, tagaus: die digitale Reizüberflutung. Der immense Dateneinfluss, die fehlende Priorisierung von Aufgaben und die Nutzung zu vieler Tools können uns das Arbeiten erheblich erschweren. Doch auch diese Hürden können gemeistert werden:
- Hinterfragen Sie die Nutzung von digitalen Tools und führen Sie nicht unüberlegt einfach ein neues Tool ein, nur weil es besonders schick ist oder einen einzelnen Bereich Ihrer Arbeit erleichtert.
- Überlegen Sie doch mal, ob Ihnen Methoden wie die Pomodoro-Technik oder Apps für das fokussierte Arbeiten den Fokus auf die zu erledigenden Aufgaben erleichtern.
Grundlegend können wir sagen: Der Grat zwischen Überreizung und Erleichterung bei der Verwendung von digitalen Tools ist schmal. Ein unüberlegter Einsatz zu vieler Tools kann zum digitalen Overload führen – bewusst eingesetzt können sie Ihre Arbeit durchaus erleichtern.
Egal, wie viele Tools Sie nutzen oder wie groß Ihr technisches Know-how ist: wichtig ist, dass Sie sich einen bewussten Umgang mit digitalen Tools aneignen und reflektiert damit umgehen.
Wenn Sie mehr zum Thema digitale Tools erfahren möchten, dann lesen Sie doch unseren Beitrag dazu: Zu viele Tools – die Retter unserer Arbeitswelt?