Neue Arbeit ist kein Selbstzweck
Wie ein Familienunternehmen altbewährte und Neue Arbeit sinnvoll zusammenbringt
Lernen Sie uns noch ein wenig besser kennen! Dieser Artikel wurde von Neue Narrative verfasst und ist ursprünglich dort erschienen: https://www.neuenarrative.de/magazin/dms-factory-new-work-und-digitale-tradition-im-familienunternehmen/. Hier wurde er am 22.11.2021 veröffentlicht.
In deutschen Büros werden aktuell rund 43,9 kg Papier pro Jahr bedruckt. Papier, das in digitaler Form eingespart und automatisiert verarbeitet werden könnte. Genau um diese Art der Digitalisierung kümmert sich die DMSFACTORY. Das Familienunternehmen bringt altbewährte und Neue Arbeit sinnvoll zusammen.
Ein papierloses Büro – das klingt nach den 90ern und erstmal nicht besonders hip. Digitalisierung verbinden viele Menschen mit App-gestützter Bedienung von Geräten, dem Internet of Things oder intelligenten Fahrzeugen.
Demgegenüber steht die Tatsache, dass zahlreiche Unternehmen noch immer Datenbanken aus dem Geburtsjahr von Karl Klammer, [^1] dem ersten Assistenz-Bot von Microsoft Office in Form einer Büroklammer benutzen. In deutschen Büros werden aktuell rund 40,1 Seiten Papier pro Tag ausgedruckt und manuell bearbeitet. [^2] Das sind 43,9 kg Papier pro Jahr, das in digitaler Form eingespart und automatisiert verarbeitet werden könnte. Genau um diese Art der Digitalisierung kümmert sich Manfred Forst mit seinen Kolleg*innen bei der DMSFACTORY. DMS steht für Dokumentenmanagement-System. Der mittelständische Softwareentwickler aus Hessen macht Dokumente und Informationen zentral und einfach für Menschen in Organisationen verfügbar.
1995 gründet Manfred Forst seine Firma ganz klischeehaft in seiner Garage und fährt mit Scanner und PC im Kofferraum von Tür zu Tür, um neue Kund*innen zu gewinnen. Nach seinem Studium an der TU Berlin arbeitete er zunächst als Coder im Dokumentenmanagement für die Siemens AG, aber statt dort Karriere als Führungskraft zu machen, wollte er lieber selbstbestimmt sein und gründete. Heute beschäftigt das Unternehmen achtzehn Mitarbeitende. Rasantes Wachstum sieht anders aus, und das ist auch so gewollt. Trends und Tendenzen der neuen Arbeitswelt werden bei DMSFACTORY gescannt wie früher das Papier: Was steckt dahinter, was passt zu uns, was zu unseren Kund*innen und wie könnte uns diese oder jene Veränderung in welcher Dosierung helfen? Wachstum um des Wachsens willen ist ein Trend, der für das Unternehmen keinen Sinn ergab. Denn der Fokus liegt bei DMSFACTORY auf einer langfristigen Strategie und Kund*innenbeziehungen.
Vor einigen Jahren sahen die Aufträge von Großkund*innen in der Softwareentwicklung noch ganz anders aus als heute: Ungefähr drei bis sechs Monate dauerte es damals, um eine sogenannte Leistungsbeschreibung für einen Auftrag zu formulieren. Das sind viele Seiten detaillierte Erläuterungen zu der zu entwickelnden Software. Die Software wurde dann entlang der Punkte in der Leistungsbeschreibung in Code übersetzt und die passende Systemlösung bei den Kund*innen eingerichtet. Das war so lange das richtige und angemessene Vorgehen, wie sich in den Systemumgebungen und an den Anforderungen der Auftraggeber wenig änderte. Das heißt, erst die immer schneller fortschreitende Digitalisierung und die immer komplexeren Anforderungen an Unternehmen erforderten, dass sich auch die Art der Zusammenarbeit und des Entwickelns von Software ändert.
Würden Aufträge nach wie vor mithilfe einer Leistungsbeschreibung abgearbeitet werden, hätte man am Ende eine Software, die Probleme löst, die es gar nicht mehr gibt. „Heute würde weder jemand so viel Geld für die Erstellung einer Leistungsbeschreibung bezahlen, noch wäre die auf diese Art entwickelte Software kompatibel mit den Systemen und Nutzer*innenbedürfnissen“, stellt Manfred Forst lachend fest.
Wie viel Agilität tut uns gut?
Die Systeme richten heute Manfreds Kolleg*innen ein. Sie verstehen sich als Lösungsarchitekt*innen und richten ihre Lösungen [^3] immer an den Bedürfnissen der Kund*innen aus. Simon Schnack arbeitet an der Schnittstelle von Software und Kund*innen. Er ist Head of Consulting und arbeitet seit acht Jahren für die DMSFACTORY. Seine Aufgabe ist es, „Leuten den Rücken freizuhalten und neue Aufträge heranzuziehen“, sagt er. Seine Arbeitsprozesse haben sich durch die zunehmende Komplexität und Geschwindigkeit der digitalen Transformation in den letzten Jahren stark verändert.
Anstatt wie früher am Anfang eines Projekts mit den Kund*innen eine Leistungsbeschreibung zu vereinbaren, beginnen sie deshalb die Arbeit von Tag eins an kollaborativ mit einem sogenannten Starter-Workshop. Durch diese Zusammenarbeit mit den Kund*innen können deren Bedürfnisse deutlich besser erkannt und gemeinsam ein Use Case definiert werden. Die Kund*innen werden wie Teammitglieder in den Prozess integriert, statt erst am Ende Ergebnisse präsentiert zu bekommen, die vielleicht gar nicht zu ihren Bedürfnissen passen.
Dafür müssen verschiedene Perspektiven berücksichtigt werden: die der IT-Mitarbeitenden, der Entscheider*innen sowie der Anwender*innen, die die Software später bedienen. Der Vorteil dabei ist, dass jede Interessengruppe jederzeit ihr Feedback und etwaige Änderungswünsche einbringen kann und muss. Die Anwender*innen kennen z. B. den konkreten Use Case und können wichtige Detailinformationen im Prozess beisteuern. Die IT wird wiederum für die Integration in die Systemumgebung und die Schnittstellen benötigt.
Die Systemlösung wird immer so gut, wie das Feedback aller Beteiligten ist. Um dieses Feedback immer wieder in die Entwicklung der Lösung einfließen zu lassen, entwickeln sie Schritt für Schritt in sogenannten Sprints. In regelmäßigen Jour-Fixe-Meetings stellen sie den Verlauf dieser Sprints gegenüber den Auftraggeber*innen möglichst transparent dar. Den Begriff Scrum benutzen sie dafür nicht, auch wenn die dahinterliegende Logik dieselbe ist. Statt sich aufregende New-Work-Begriffe anzueignen, stellen sie sich im Team auch immer die Frage, welche Methoden nützlich sind und wie diese abgeändert werden müssen, um zur Organisation und ihren Stakeholdern zu passen. New-Work-Trends müssen grundsätzlich den Gegebenheiten der jeweiligen Organisation individuell angepasst werden, denn es gibt keine One-Size-fits-all-Lösung. Veränderungsarbeit bedeutet, sich kontinuierlich mit der Organisation und ihrer Umwelt zu beschäftigen und sich immer wieder zu fragen, was gebraucht wird und was nicht mehr: „Wir erfinden uns immer wieder neu und schneiden die alten Zöpfe – wenn nötig – ab“, sagt Simon Schnack
Beispiel für ein Projekt
In einem gemeinsamen Starter-Workshop werden die Projektziele und Wünsche des Auftraggebers herausgearbeitet. Daraus entwickelt das Team von DMSFACTORY eine Lösungsskizze, die als Basis für das Projekt dient und den erforderlichen Aufwand ermittelt.
Im zweiten Schritt wird die Basissoftware beim Auftraggeber installiert. Daran schließt sich eine Schulung der am Projekt beteiligten Mitarbeiter*innen an. Die Schulungen sind wichtig, um eine reibungslose Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten zu ermöglichen und die Basis für die Arbeit mit der Software-Lösung zu schaffen. Dabei werden den Beteiligten auch die wichtigsten Begrifflichkeiten der Software erklärt, damit allen das Wording in den Anwendungen geläufig ist, was die Anforderungsaufnahme und Abstimmung deutlich vereinfacht. Zudem können die Mitarbeitenden eigenständig die Lösung erweitern. In regelmäßigen Meetings werden auf Basis eines Kanban-Boards die nächsten Aufgaben definiert, gemeinsam Prioritäten festgelegt und die nächste Etappe entwickelt.
Die einzelnen Teilschritte der Lösung gehen dann in den sogenannten Wirkbetrieb, also die reguläre Betriebsphase, über. Neue Anforderungen und Änderungen können durch dieses iterative Vorgehen regelmäßig und zügig umgesetzt werden.
Organisationales Lernen
Damit nicht nur einige wenige, sondern möglichst viele im Unternehmen sich mit neuen Methoden und Anforderungen an ihre Arbeit beschäftigen, ist kontinuierliches Lernen besonders wichtig. Dabei unterscheidet DMSFACTORY zwei Arten von Fortbildungen: Zu den sogenannten Arbeitswerkzeugen gehören Ausbildungen in sämtlichen Produkten der DMSFACTORY und denen ihrer Partner. Ebenfalls dazu zählt die Ausbildung in gängigen Arbeitswerkzeugen wie Programmiersprachen und Anwendungen für Sales und Marketing.
Interessenbasierte Fortbildungen werden sämtlichen Mitarbeitenden zur freien Verfügung gestellt und können individuell nach Neigung und Zeit ausgewählt werden. Ein wichtiges Kriterium dabei ist, dass das Thema sowohl eine persönliche Bereicherung ist, als auch dem Unternehmen zugutekommt, da die Weiterbildung während der Arbeitszeit stattfindet und vom Unternehmen bezahlt wird. Etwa ein oder zwei Fortbildungen pro Jahr macht im Schnitt jede Person im Unternehmen. Darüber, wer gerade was gelernt hat, tauschen sie sich regelmäßig in verschiedenen Meetingformaten aus und halten dies auch im firmeneigenen Wiki fest.
Meetingformate zur Synchronisation und für gute Beziehungen
Das „Weekly“Meeting dient einem gemeinsamen Start in die neue Arbeitswoche. Hier geht es weniger um operative Inhalte, sondern eher um den Austausch auf Beziehungsebene und darüber, was neben der täglichen Arbeit passiert, wie z. B. Fortbildungen oder auch private Themen. Das Meeting dauert fünfzehn Minuten und jede*r kommt zu Wort. Ein operatives Meeting ist die Projektdurchsprache. Sie findet ebenfalls wöchentlich statt, um kurz und bündig Updates zu den aktuellen Herausforderungen zu teilen und in diesem Rahmen um Hilfe zu bitten.
Es war ihm immer schon wichtig, dass die Menschen bei DMSFACTORY gute Vertrauensverhältnisse zueinander aufbauen können, gerade weil der Betrieb klein ist. Mit einem der Coder teilt Manfred gleich zwei Leidenschaften: Mountainbiken und Drohnen fliegen. Diese Vertrauensebene entsteht, auch wenn Manfred hier nach wie vor der Chef ist. Er übernimmt letztlich die volle Verantwortung für große Entscheidungen. Und auch manchen Kund*innen ist es nach wie vor wichtig, mit dem Gründer und Geschäftsführer zu sprechen.
Neue Arbeit muss nicht immer von Kopf bis Fuß selbstorganisierte Strukturen haben, um eine richtig gute Kultur hervorzubringen. Simon empfindet das Miteinander hier als sehr fair, ehrlich und transparent. Sie verstehen sich als Team und treffen fast alle Entscheidungen gemeinsam. Weil das Vertrauen ineinander groß ist, gibt es keine Scheu, sich gegenseitig Feedback zu geben und auch mal unangenehme Dinge anzusprechen.
Meeting-Formate
- Weekly: wöchentlich, 15 Minuten, alle, nur Privates
- Frühstück: monatlich, 1 Stunde, alle, DMSFACTORY bezahlt und stellt die Zutaten für den Frühstückstisch, gemeinsames Tischdecken, Updates aus dem Privaten in der Form, wie es jeder teilen möchte.
- Projektmeeting: wöchentlich, 1 Stunde, alle Mitarbeitenden, die in Projekten arbeiten, Fakten rund um die Projekte, Herausforderungen, sachlich und wesentlich, fokussiert
- Leitungsmeeting: monatlich, alle Leitungsfunktionen, gegenseitige Updates, Ideen zur Strategie
- Kochen: zweiwöchentlich, eine*r kocht für das gesamte Team, alle essen gemeinsam
Familienunternehmen
Widerworte bekommt Manfred natürlich trotzdem und das sogar aus der eigenen Familie, denn die arbeitet hier mit. Von Beginn an übernimmt Manfreds Frau die buchhalterische Verwaltung des Unternehmens. Auch Manfreds Sohn arbeitete nach seinem Studium für vier Jahre im Betrieb und brachte viele neue Ideen und Umstrukturierungsvorschläge mit, die die Firma weitergebracht haben. Seine Tochter Frederike Obländer hat sich direkt einen eigenen Bereich bei der DMSFACTORY aufgebaut, von dem Manfred lange dachte, dass es reicht, wenn man das nebenbei macht.
Bevor sie im Unternehmen ihres Vaters einstieg, hatte sie im Marketing klassischer Werbeagenturen gearbeitet. Inzwischen ist Frederike Leiterin eines 3-köpfigen Marketingteams und konnte ihren Vater überzeugen, dass es in der Kund*innenwahrnehmung einen Unterschied macht, wenn man bewusst Erzählungen und die Sichtbarkeit des eigenen Unternehmens gestaltet. „Ich hätte damals nie gedacht, dass ich mal im Unternehmen meines Vaters arbeiten würde“, sagt Frederike. Als Tochter des Chefs in das Unternehmen einzusteigen, war für sie anfangs ungewohnt und auch mit Software hatte sie bis dahin nichts zu tun gehabt.
In ihrem alten Job war sie nach der Geburt ihrer ersten Tochter benachteiligt worden. Beim Wechsel hatte sie kurz die Befürchtung, dass andere denken würden, dass sie jetzt „zurück zu Papa“ ins sichere Nest fliehen würde. Tatsächlich ist es eher so, dass die Grenze zwischen Familie und Arbeit in Familienunternehmen stark verschwimmt. Das führt auch dazu, dass Frederikes Arbeit gleichzeitig professionell und als die der Tochter der Familie betrachtet wird. Als Kollegin angekommen ist sie aber trotzdem schnell und die Vereinbarkeit mit ihrer Familie ist hier ebenfalls kein Thema. Nicht weil sie die Tochter des Chefs ist, sondern weil Familie hier ein Wert ist, den sie alle teilen.
Ein Tutorial zur Kund*innenakquise
Marketingteam – Objectives and Key Results 2021
- Steigerung der Website-Besucher*innen um 30 % im Vergleich zu Q2
- eine Steigerung der SQL (Sales Qualified Leads) um 35 % im Vergleich zu Q2
- Steigerung der Anmeldung zum Online-Seminar QMS um 50 % im Vergleich zum Vorjahr
- Besucher*innenanzahl von 500 Besucher*innen pro Tag
- 200 Besucher*innen, die über das papierlose Büro auf dmsfactory.com zugreifen
- 20 neue Backlinks
- 5 neue Abonnent*innen pro Woche
- durchschnittliche Wiedergabedauer steigt auf 2:30 Minuten
- 100 Zugriffe auf unsere Website über YouTube
Ein Key Result aus einem der vergangenen Quartale war das Etablieren sogenannter Screencasts. Um die Hemmschwelle, zum Hörer oder zur Tastatur zu greifen, möglichst gering zu halten, haben sie ein Videoformat entwickelt, das kurz und knapp die wichtigsten Elemente einer Lösung erklärt. Im Endeffekt sind das Tutorial-Videos für komplexe Software, die eine Kollegin von Frederike aufnimmt. Durch die Videos auf der Website sehen die Kund*innen das Produkt und verstehen, wie es in ihrem Unternehmen zum Einsatz kommen könnte. Im Gespräch mit den Kund*innen können sie dann die Details der Produkte besprechen. Das ist wesentlich einfacher, als abstrakte Software am Telefon zu erklären.
Wie bei allem in der DMSFACTORY zeigen sich auch in dieser Haltung eine Portion Demut, familiärer Gemeinschaftssinn und Pragmatismus. Die Fragen, die sie sich hier immer wieder selbst stellen, sind die nach dem Sinn und der Zweckmäßigkeit – sowohl auf methodischer als auch auf strategischer und persönlicher Ebene. Anstatt sich eine total verrückte New-Work-Fassade aufzubauen, bei der nichts dahintersteckt, sind sie bei DMSFACTORY eher bodenständig und neugierig. Ihr nächstes großes Ziel: Die Organisation führt sich selbst.
Zum Weiterdenken
- Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, agile Methoden und New-Work-Frameworks in Reinform anzuwenden? Oder geht es vielleicht vielmehr um die Haltung, die dahintersteckt? Welche Beispiele kennen Sie?
- Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach für stabile Beziehungen, dass Kolleg*innen auch private Themen und Freizeitbeschäftigungen miteinander teilen?
- Wie wichtig ist es, dass man sich als Unternehmen fragt, warum und wofür man die Dinge tut, die man tut? Wie oft fragen Sie sich das in Ihrem Unternehmen?
[^1]: Karl Klammer war ein Assistent für Microsoft Office. Der Assistent war mit den Office-Hilfeinhalten verknüpft und in Microsoft Office für Windows ab 1995 enthalten.
[^2]: „Monitor Papierloses Büro“, viadesk, 2018.
[^3]: Mit Lösung ist hier die Umsetzung eines Use Cases gemeint, der mit der verwendeten Software einfacher und bzw. oder effizienter bearbeitet werden kann.